Geheimniskrämerei um die Archivunterlagen
Sachstand 2013
Das gesamte Arbeitsmaterial der von 2004
bis 2010 im
öffentlichen Auftrag
arbeitenden und mit öffentlichen Mitteln
finanzierten Historikerkommission wird allen öffentlichen
Beteuerungen zum Trotz einer Prüfung entzogen und bleibt im Dresdner Stadtarchiv
für 30 Jahre unter Verschluß.
Das betrifft auch die von anderen
Archiven und Institutionen übermittelten Daten, die von der Bevölkerung
zugearbeiteten Augenzeugenberichte und vor allem das Hauptergebnis der
Kommission, die
personengenaue Datenbasis für die maximal ermittelten 25.000
Toten.
Doch damit nicht genug, im Stadtarchiv
ist weiteres zu diesem Themenkomplex gehöriges, bisher zugängliches
Archivgut für 80 (achtzig!) Jahre gesperrt.
Die
Geheimniskrämerei um die Arbeitsunterlagen der Kommission
Seit ihrer Abschlußveranstaltung im März 2010 existiert
die Kommission nicht mehr. Noch zu diesem Zeitpunkt versprach die
Stadtverwaltung in einer
Erklärung einen offenen und fairen Umgang mit den ihr übergebenen
Arbeitsunterlagen und Ergebnissen. Zwar veröffentlichte sie
auf Ihrem Netzportal die
zusammengefaßten Kommissionsberichte und eine Buchversion mit Einzelberichten,
doch als Mittler für vertiefende Fragen zu
widersprüchlichen oder unklaren Inhalten fühlt sie sich nicht zuständig.
Das belegt ein
Antwortschreiben des Beigeordneten für Kultur, Dr. Ralf Lunau.
So neutral wie er sich darin als "politischer Beamter"
erklärt, positioniert er sich nicht. Vielmehr behindert Lunau "die
Freiheit der Wissenschaft" durch Blockade der im Stadtarchiv
lagernden Kommissionsunterlagen. Unter Verschluß gehalten werden auch
die zahlreichen Zuarbeiten
Dresdner Bürger, die den mehrfachen Aufrufen zur Mitarbeit gefolgt
sind. Die Begründung dazu: "Datenschutz".
Eine Einsichtnahme in die Arbeitsprotokolle, in die
Augenzeugenberichte und Quellenvermerke, die Überprüfung einzelner
Arbeitsschritte, das Nachvollziehen von Expertisen und der
Recherchetiefe der Einzelprojekte ist somit nicht möglich.
Dieses
Verhalten der Stadtverwaltung steht im Widerspruch zur
zugesicherten Transparenz von Seiten der Kommission. Dem kritischen
Betrachter drängt sich geradezu die Frage auf, wer hier wem und mit
welcher Absicht den "Schwarzen Peter" zuschiebt. Oder anders
formuliert, wer hier was zu verbergen hat.
Die Geheimniskrämerei
um die Kommissionsunterlagen, insbesondere um die personenbezogene Datenbasis,
angeblich
wegen des (rechtlich unzulässigen) Datenschutzes für Kriegsopfer, hat
sich inzwischen zu einem
politischen
Zankapfel
entwickelt.
Auf der Strecke bleibt die wissenschaftliche Nachprüfbarkeit des
Zahlenwerkes und damit die ohnehin stark beeinträchtigte Glaubhaftigkeit
der Kommission.
Die Sperrung weiterer Archivunterlagen
1. Gesäubertes Zeitzeugenarchiv
Im April 2004 begann das Stadtarchiv mit dem Aufbau eines
Zeitzeugenarchivs. Im März 2007 wurde dieses Archiv in
einem Prospekt noch so beschrieben:
Welche Ziele verfolgt das Zeitzeugenarchiv
Dresden?
Im Zeitzeugenarchiv
werden die Erinnerungen und Erfahrungen von weiblichen und männlichen
Personen erfaßt, audio-visuell erschlossen und
für
die öffentliche Nutzung
zugängig gemacht.
Öffentlichkeitsarbeit
... das Bearbeiten von Nutzungsanfragen
und die Durchführung von Schülerveranstaltungen sind für das
Zeitzeugenarchiv selbstverständlich.
...
Thomas Kübler, Amtsleiter des
Stadtarchivs,
erwähnte 2006 anläßlich eines "Workshops" der Kommission
das "im Aufbau befindliche
Zeitzeugenarchiv mit
hunderten
mündlicher komplementärer Quellen ...".
(Sämtliche Autorenbeiträge des Workshops
„Historikerkommission - Quellen zum 13. Februar 1945 –
Arbeitsmethoden der Historiker", sind mittlerweile im Netz nicht mehr verfügbar.)
Auch das gesäuberte Findbuch weist im Jahr 2013 nur noch
überschlägig 64 gezählte Eintragungen auf, obwohl die Signaturen die
mehr als 500 ursprünglichen Eintragungen erahnen lassen.
2. Gesperrte
Sammlung der "Interessengemeinschaft 13. Februar 1945"
Die
Interessengemeinschaft erklärte anläßlich der
Übergabe erster Teile ihres
umfangreichen
Archivbestandes im Februar 2002 an das Stadtarchiv Dresden
:
Das Stadtarchiv Dresden
garantiert
die sachgerechte Aufbewahrung der übergebenen Dokumente
und
die öffentliche Zugänglichkeit.
Die Nutzungsbedingungen tragen
den Intentionen der Zeitzeugen und
den Bestimmungen des Datenschutzes Rechnung.
(Die Quelle hierfür:
http://www.dresden-1945.de/verein/archiv.htm ist in ihrer
ursprünglichen Form nicht mehr zugänglich.)
Im Jahr 2013
war der gesamte Bestand dieser Sammlung gesperrt.
3.
Die vorgegebenen Sperrungsgründe
Auf
schriftliche Anfrage vom 10.6.2013 an das Stadtarchiv, ob die Sperrungen zutreffend sind, erhielt
der Autor am 19.6.2013 die
Bestätigung.
Das Antwortschreiben vom 19.6.2013 im Wortlaut.
Sehr
geehrter Herr Bürgel,
ja, es ist zutreffend,
dass die Arbeitsunterlagen der Historikerkommission für die Benutzung nicht
zugänglich sind, da es sich um dienstliches Schriftgut handelt. Dieses wird nach
dem "Archivgesetz für den Freistaat Sachsen" in Anlehnung an das
Bundesarchivgesetz erst nach 30 Jahren Archivgut und dann zur Benutzung
freigegeben.
Die Sammlung der "IG 13. Februar" enthält vorwiegend
Erlebnisberichte zu den Bombenangriffen. Da dort von den Berichterstatteten
keine Einverständniserklärungen für die Benutzung vorliegen, richtet sich die
Benutzung nach dem Sächsischen Archivgesetz. Das bedeutet, dass die Unterlagen
erst 10 Jahre nach dem Tod oder 100 Jahre nach der Geburt der Betroffenen
benutzbar sind. Da wir über diese Daten nicht verfügen, muss eine Sperrung auf
80 Jahre vorgenommen werden.
So verhält es sich auch bei den Erlebnisberichten im Bestand
"Zeitzeugenarchiv". Diejenigen Berichte, bei denen eine Einverständniserklärung
vorliegt, sind benutzbar und im Findbuch erfasst. Alle anderen Berichte, auch
die mit Einschränkungen versehenen Einverständniserklärungen, sind nicht im
Findbuch ersichtlich.
Mit freundlichen Grüßen
Anett Hillert
SB Vorfeld und Erschließung
Mit diesen Verfügungen verstößt die
Stadtverwaltung gegen eigene Erklärungen und gegen das
Archivgesetz des Freistaates Sachsen, §10 /Abs.2. Dort ist u.a.
formuliert:
Die Schutzfristen nach Absatz 1 gelten nicht für solche Unterlagen,
die bereits bei ihrer Entstehung zur Veröffentlichung bestimmt waren.
Zum
transparenten
Umgang, also zur
Veröffentlichung ihrer Unterlagen,
hatte sich die Kommission wiederholt und unmißverständlich
bekannt. Selbst in ihrer Buchversion " Die
Zerstörung Dresdens, 13. bis 15. Februar 1945"
verweist sie auf eine
Signaturangabe,
zu der das Stadtarchiv jedoch keinen Zugang ermöglicht.
Auch die
Sperrung bzw. Säuberung der beiden anderen Archivbestände bedarf
einer rechtlichen Prüfung. Wie kann es sein, daß zugänglich gewesene Augenzeugenberichte
und Dokumente nachträglich mit einer Sperrfrist belegt werden?
Zahlreiche,
dem Autor namentlich bekannte Augenzeugen wurden nie um eine
"Einverständniserklärung" für den archivarischen
Gebrauch ihre Berichte ersucht. Mit welcher Logik sollten sie auch argwöhnen?
Sie sind öffentlichen Aufrufen zur Mitarbeit gefolgt und haben ihre schriftlichen
Lebenserinnerungen übergeben - nicht aber, damit diese für erklärte
80 Jahre geheim
gehalten werden!
Und wenn Datenschutz für noch lebende Personen so
prinzipiell interpretiert wird, warum werden dann nicht Namen
und Adressen anonymisiert, aber die Sachinhalte belassen?
Die vorgebliche
Wissenschaft ist nicht überprüfbar.
|
|
Es
kann sein,
daß nicht alles wahr ist,
was ein Mensch dafür hält,
denn er kann sich irren,
aber vor allem, was er sagt,
muß Wahrheit sein,
er soll nicht täuschen.
Immanuel Kant
In diesem Kapitel
geht es nicht um unerfüllte Erwartungen oder persönliche Meinungen, sondern um
den Vorwurf des Verstoßes gegen
das Sächsische Archivgesetz und
öffentliche Erklärungen.
Öffentliche Namensnennung der Dresdner
Luftkriegsopfer ist notwendig:
Eine
Medieninformation
des Volksbundes Deutsche
Kriegsgräberfürsorge Stadtverband Dresden und der Stiftung Sächsische
Gedenkstätten vom 3.6.2010
Der öffentliche
Umgang anderer deutscher Städte mit den Daten ihrer Bombenopfer.
Bild
vergrößern
Weitere Beispiele
Aus einem
Merkblatt
des
Freistaates Sachsen vom 2.5.2013:
"Nach der Genfer Konvention sind der Umgang mit Kriegstoten und der
Schutz von Kriegsgräbern dauerhaft geregelt. [...]
Es ist sicherzustellen, dass die Namen der Toten genannt werden, sofern ermittelbar."
Perspektive
mit
Hindernissen
Aus
der Einleitung
der Buchversion
der Kommission,
Seite 13
"Zum wissenschaftlichen Selbst-verständnis der Kommission gehört die
Einsicht, dass Forschungsergebnisse stets nur
einen aktuellen Stand der Erkenntnis repräsentieren können. Auch
die Forschungen zum Gegenstand
der Kommissionsarbeit wie insgesamt zur Dresdner Stadt-geschichte
des
Jahres 1945 und ihrer Rezeption -
werden daher fortgeführt werden
müssen."
|